Wie doch die Zeit vergeht: Zur Verjährung von Gutscheinen

19.02.2021 | Lorenz Widmer

Normalerweise das Last-Minute-Geschenk schlechthin, in Pandemiezeiten mit geschlossenen Läden, Restaurants, Kinos, Theatern und Konzertsälen notgedrungen mehr als eine blosse Verlegenheitslösung: der gute alte Gutschein. Nach der gefreuten Verdankung verschwindet der Gutschein in der Schublade, wo er geduldig auf den richtigen Moment seiner Einlösung wartet. Nicht selten muss der Beschenkte bei der Wiederentdeckung des Gutscheins aber feststellen, dass das auf dem Gutschein vermerkte Verfallsdatum bereits in naher oder ferner Vergangenheit liegt. Währenddem der Bruder oder die Schwester vielleicht gewillt sind, die versprochene Leistung trotzdem noch zu erbringen, zeigen sich andere Leistungspflichtige weniger kulant. Was ist in diesem Fall zu tun?

Um diese Frage zu beantworten, muss zunächst geklärt werden, was ein Gutschein überhaupt ist. Im Gesetz ist dieser Begriff nicht definiert, laut Duden steht er für einen Schein, der den Anspruch auf eine bestimmte Sache, auf Waren oder Dienstleistungen mit einem bestimmten Gegenwert bestätigt. Es geht also um eine Forderung, das heisst um die Befugnis, von einer anderen Person eine bestimmte Leistung zu verlangen, die zwar schon bezahlt, aber noch nicht erbracht wurde.

«Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen.»

Seneca

Ist das Verfallsdatum eines Gutscheins abgelaufen und verweigert dessen Aussteller deshalb die Leistung, beruft er sich mit dieser Argumentation auf die Verjährung. In Juristendeutsch wird die Verjährung als Entkräftung einer Forderung durch Zeitablauf bezeichnet. Sie gibt einer Partei das Recht, die Leistung zu verweigern, wenn die andere Partei zu lange damit wartet, eine Forderung geltend zu machen. Nach Ablauf der sogenannten Verjährungsfrist kann die eigentlich leistungspflichtige Partei somit sagen: «Was willst Du noch von mir? Selbst schuld, wenn Du nicht vorher gekommen bist.»

Gewöhnlich beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Für gewisse Forderungen sind aber kürzere Fristen vorgesehen, wie etwa für Lebensmittel und Getränke, für «Beköstigung» und «Wirtsschulden» sowie dem Kleinverkauf von Waren eines Detaillisten an den Endverbraucher. Für diese Leistungen dauert die Verjährungsfrist nur fünf Jahre. Unabhängig davon, ob die Verjährungsfrist fünf oder zehn Jahre beträgt, kann sie von den Parteien nicht im Voraus abgeändert werden. Das bedeutet, dass es bei der gesetzlich vorgesehenen Frist bleibt, auch wenn im Vertrag eine kürzere Verjährungsfrist vereinbart oder eben auf dem Gutschein ein früheres Verfallsdatum vermerkt wird.

Einige Juristen sind der Ansicht, dass es den Parteien freistehen sollte, andere Fristen zu vereinbaren und ein früheres Verfallsdatum deshalb gültig sei. Vom Bundesgericht wurde diese Frage zwar noch nicht geklärt, aber das Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts im Kanton Solothurn stimmt Gutscheinsbesitzer hoffnungsvoll. Das Gericht hat nämlich entschieden, dass die gesetzliche Verjährungsfrist auch auf dem Gutschein nicht verkürzt werden darf.

Solange die gesetzliche Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist, kann deshalb mit gutem Grund argumentiert werden, dass der Gutschein nach wie vor gültig sei, auch wenn das Verfallsdatum bereits in der Vergangenheit liegt. Selbst bei bereits abgelaufener Verjährungsfrist sollte zuerst die Leistung verlangt werden, bevor der Gutschein ins Altpapier wandert. Die Leistung wurde schliesslich schon bezahlt und sollte, wenn Kundenfreundlichkeit tatsächlich grossgeschrieben wird, auch erbracht werden.

Share